Genoss:innenschaften spielen in vielen afrikanischen Ländern eine wichtige Rolle. Über die Marktmacht der Kleinbäuerinnen und -bauern in Kenia und Burkina Faso.
Die Fläche im Zentrum des Dorfes Tanghin Dassouri in Burkina Faso, rund 40 Kilometer von der Hauptstadt Ouagadougou entfernt, ist drei Hektar groß und trocken. Das weitgehend kahle Stück Land sieht wenig einladend aus und weckt trotzdem Hoffnungen. „Wenn wir genug Geld zusammenhaben, wollen wir es einzäunen und dort Gemüse anbauen“, erklärt Zakaria Kinda. Der 68-jährige Bauer ist eines von 47 Mitgliedern der Kooperative seines Dorfes, sie heißt Namananga Vusanga. Das Dorf liegt in der Savanne: Mächtige Bäume wachsen weit verstreut, die Erde dazwischen ist je nach Jahreszeit mit Gras bedeckt oder sandig und ausgedörrt. Jetzt, kurz vor der ersehnten nächsten Regenzeit, ist alles ziemlich trocken.
Starke Kooperative. Zakaria Kinda sieht man seine 68 Jahre nicht an, er wirkt zupackend und energisch. Er und die 43-jährige Bäuerin Salmata Kinda, ebenfalls Mitglied der Kooperative, haben sich zu einem Gespräch im Schatten eines Mango-Baumes bereit erklärt. Es ist Mitte April. Burkina Faso und der Rest des Sahel werden gerade von einer Hitzewelle heimgesucht. Die Arbeit auf den Feldern und in den Gärten ist besonders anstrengend. Bis vor wenigen Minuten hat Zakaria Kinda trotzdem noch geholfen, die Zwiebeln auf dem Feld zu bewässern, das sie gemeinschaftlich nutzen. Damit möglichst viel Wasser aufgenommen werden kann, haben sie vor der Aussaat Gruben ausgehoben, in denen die Zwiebelpflanzen nun wachsen. In den Vertiefungen bleibt mehr Wasser zurück, als auf einer ebenen Fläche.
Die Kooperative haben sie 2021 gegründet, erzählen die beiden. „Als Gruppe sind wir stärker und können auf dem Markt bessere Preise erzielen“, begründet Zakaria Kinda. Wie viel sie für ihre Produkte bekommen, also beispielsweise Tomaten, Zwiebeln oder Gurken, variiert je nach Jahreszeit. Kurz nach der Ernte sind die Preise besonders niedrig, kurz vor der nächsten Ernte mehr als doppelt so hoch – egal, ob sie gemeinschaftlich oder einzeln verkaufen. Aber ihre Verhandlungsmacht sei als Kooperative stärker.
In der Gruppe sei für sie eigentlich alles leichter, meint Salmata Kinda: „Wäre ich alleine, käme doch niemand ins Dorf, um meine Ware abzuholen.“ Aber so kämen die Zwischenhändler:innen zu ihnen, „wir sparen die Zeit und die Kosten für den Transport in die Stadt“. Und noch ein Vorteil: Die Zwischenhändler:innen zahlen einen vereinbarten Kilopreis. Würden sie ihre Feldfrüchte alleine zu vermarkten versuchen, müssten sie ihre Tomaten, Kohlköpfe oder Pfefferschoten Kilo für Kilo auf dem Markt verkaufen: „Wenn du nichts wieder mitnehmen willst, wirst du am Ende mit dem Preis immer weiter runtergehen.“
Biologischer Anbau. Eine der Käuferinnen, mit denen die Kooperative seit Jahren zusammenarbeitet, ist an diesem Vormittag mit ins Dorf gekommen. Sylvie Bounkoungo arbeitet für das biologische Agrarunternehmen Bioprotect und kauft regelmäßig biologisch angebautes Gemüse bei der Kooperative. Das Unternehmen, das vor allem Kompost, biologischen Dünger und biologische Schädlingsbekämpfungsmittel herstellt und vertreibt, hat in der Hauptstadt Ouagadougou auch zwei Bio-Läden, um für die Bio-Bäuerinnen und -Bauern neue Märkte und Kund:innen zu erschließen.
„Wenn wir mit einzelnen Produzent:innen arbeiten würden, könnten wir nie sicher sein, dass wir unser Angebot aufrechterhalten können“, erklärt Bounkoungo die Vorteile aus Sicht von Bioprotect. Eine Gruppe von Produzent:innen seien für sie die verlässlicheren Geschäftspartner:innen.
Die Bäuerinnen und Bauern von Tanghin Dassouri betreiben schon seit 2014 biologische Landwirtschaft: Sie haben gelernt, wie sie Kompost oder Schädlingsbekämpfungsmittel selbst herstellen können, wie sie degradierte Böden wieder fruchtbar machen und die Bodenqualität fortlaufend erhalten können.
Neben dem Gemeinschaftsfeld bestellen alle Mitglieder auch private Flächen, bauen in der Regenzeit Getreide wie Hirse und in der Trockenzeit verschiedenes Gemüse an. Von ihren Einnahmen führen sie fünf Prozent an die Kooperative ab. Zakaria und Salmata finden die Summe in Ordnung. Schließlich können sie in den jährlichen Versammlungen mit darüber bestimmen, wie das Geld investiert wird. Da die Kooperative erst seit drei Jahren besteht, sparen sie noch für ihre erste Investition: den Zaun, um ihre Fläche erweitern und weitere drei Hektar gemeinsam bestellen zu können. Mit der Idee waren alle einverstanden: Ohne einen Zaun würden die herumlaufenden Ziegen und anderes Vieh alle Pflänzchen fressen, sie bräuchten sich um die Qualität des Bodens dort gar nicht erst zu bemühen.
Coop-Tradition in Kenia. In westafrikanischen Burkina Faso gibt es viele Kooperativen, vor allem solche, die landwirtschaftliche Erzeugnisse produzieren. Wie viele es genau sind, ist allerdings nicht bekannt. Das ist im ostafrikanischen Kenia anders. Laut der International Co-operative Alliance, einer NGO mit Sitz in Brüssel, die weltweit Genoss:innenschaften vertritt, gab es im Juni 2020 in Kenia 25.050 Genoss:innenschaften mit über 14 Millionen Mitgliedern – neuere Zahlen gibt es nicht. Schon vor der Unabhängigkeit von Großbritannien im Dezember 1963 sind dort viele Kooperativen entstanden, vor allem Kleinbäuerinnen und -bauern schlossen sich zusammen. Ihre Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung wird von den wechselnden Regierungen anerkannt und sie sind rechtlich gut abgesichert. Längst sind in Kenia Genoss:innenschaften auch in anderen Wirtschaftsbereichen stark.
John Githenji ist Präsident einer Kooperative von Kaffeebäuerinnen und -bauern, der New Gikaru Farmers’ Cooperative Society mit 4.400 Mitgliedern. Der Vorteil einer Mitgliedschaft liegt aus seiner Sicht vor allem im besseren Marktzugang und einer besseren Position beim Aushandeln von Preisen. Zudem ist der Kaffeepreis starken Schwankungen unterworfen, weil er international gehandelt wird. Die Kooperative bietet ihren Mitgliedern wirtschaftliche Sicherheit, weil sie Schwankungen ausgleichen kann. Ein weiterer Vorteil: die Kooperative hat ein Fairtrade-Siegel, wodurch die Mitglieder besser bezahlt werden. Individuen können sich nicht zertifizieren lassen.
So weit sind die Bäuerinnen und Bauern in Tanghin Dassouri in Burkina Faso noch nicht, aber ihre Zwiebeln, Gurken oder Auberginen werden ja auch nicht international gehandelt, und mit nur 47 Mitgliedern ist ihre Kooperative deutlich kleiner. Den Gemeinsinn und das Gefühl, in der Gruppe besser abgesichert zu sein, genießen sie aber genauso wie die Kaffeebäuerinnen und -bauern in Kenia.
Bettina Rühl ist freiberufliche Journalistin mit dem Schwerpunkt Afrika und arbeitet für mehrere Zeitungen sowie den Hörfunk der ARD. Sie lebt in Nairobi.
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